Eine Ode an die Norweger

Ich liebe sie, die Norweger. Wegen ihrer rauen aber doch herzlichen Art. Wegen ihrer Verbundenheit zur Natur, ihrer Einfachheit und ihrer Robustheit. Wegen ihrer Einstellung zum Leben an sich. Das Leben wird hier unmittelbar gelebt, mit allem was dazu gehört. So wird nicht viel trara drum gemacht, wenn man bspw. nen Nachbar auf seiner 2km entfernten Berghütte besucht. Einfach querfeldein loslaufen, grobe Richtung ist bekannt. Mit Leggings, Bluse und einem Überwurfpulli und bequemen Laufschuhen. Nix da Wanderzeugs, Routenplanung, oder dgl. Nein. Hier ist der Gang zwischen kniehohem Gestrüpp, geröllartigem Gestein, durch nasse Sümpfe und lichte Birkenwälder ein kurzer Spaziergang. Es gibt nicht, dass es einen Weg nicht gibt. Überall wo kein See ist, ist auch ein Weg. Ob der Nachbar da ist? Wir werden sehen. Er war da und gleich lernte ich die nächste typisch norwegische Gastfreundschaft kennen: man hat immer irgendwas Warmes zum Essen im Haus. Schwupps-die-Wupp stand vor uns eine leckere warme Mahlzeit. Was wirklich gut tat, da wir durch einige Umwege sicher 2 Stunden unterwegs waren.

Auch die Kleinsten lernen in Norwegen früh, dass das Leben gefährlich sein kann. Norwegische Kinder wachsen hier mit der Natur auf. In Watte packen, auf diese Idee würde kaum eine norwegische Familie kommen. Wenn es zum Baden geht, dann durchquert auch das kleinste Familienmitglied den 40m breiten und 10Grad kalten Lachsfluss. Barfuss, oder wie ich gelernt habe, mit Socken. Damit rutscht man weniger auf den glitschigen Steinen. Und das Baden? Ja das findet natürlich im Lachsfluss mit ordentlich Strömung statt. Bei 10Grad springen und quietschen vom Kleinkind bis zur Grossmutter alle vergnügt herum und rutschen mit dem Po die Felsen herunter.

Kinder lernen in dieser Naturnahen Umgebung von klein auf, selbstverantwortlich und rücksichtsvoll mit sich und den anderen umzugehen. Ich bin nun schon mehreren Norwegern begegnen und muss sagen, dass dies ein Volk ist, was sehr respektvoll und wertschätzend miteinander und mit der Natur umgeht.

Eine ganz besondere Fürsorge wurde mir heute, bei meiner Wanderung zuteil. Ich lief bereits bergab, als mich eine entgegenkommende ältere Dame (aber topfit, wie sie hier alle bis ins hohe Alter sind) auf meinen Verband am Arm ansprach. Ich erzählte ihr auf Englisch, was hier wirklich jeder gut kann, dass ich mir vermutlich eine Sehnscheidentzündung beim Kajaken zugezogen habe. Sabine, eine deutsche Ärztin (Chirurgin), die ich traf, vermutet dies und hat mir Ibuprofen verordnet. Für ganz kurze Zeit könne ich, um die Entzündung schnell zu reduzieren, auch Cortison nehmen. Falls es nicht besser werden sollte, wollte ich aber mal noch zum Spezialisten hier vor Ort gehen. „Mein Mann ist Orthopäde. Er kommt auch gleich,“ entgegnete mir die Norwegerin. Und so setzte die ältere Dame ihren Mann sogleich über meinen Arm in Kenntnis und ich bat ihn, um seine Meinung. Anstatt also Zeit und Geld in der nächsten Klinik zu verschwenden, bekam ich direkt am Gipfel mit Aussicht auf die herrliche Bergwelt der Lofoten die Diagnose vom Spezialisten. Nichts gebrochen, nur entzündet. Kurzzeitbehandlung mit Cortison fortsetzen. Danach nochmal Ibuprofen nehmen. Kann dauern. Ich bedanke mich herzlich und verabschiede mich.

Die Norweger, man muss sie einfach lieben. Nicht alle gehen von sich aus so auf Fremde zu, wie es die nette Dame tat. Oftmals halten sie sich zurück und wirken auf den ersten Blick etwas abweisend. Spricht man sie dann an und interessiert sich, dann freuen sie sich umso mehr. Sie sind wie die Natur hier oben: nach aussen etwas rau, doch bei genauerem Hinsehen entdeckt man die liebliche Schönheit und sie sanfte Ausgeglichenheit im Kleinen und im Grossen. Ein Land und ein Volk, dass durch die Natur etwas rauer sein muss, aber gerne weicher ist, wenn man ihnen die Chance dazu gibt.

Passend dazu ein paar besondere Lofoten Eindrücke