Ich bin wieder in Deutschland. Genauer gesagt ganz im Norden, dort wo das Land flach und die Windmühlen hoch sind. Dazwischen gibt es um diese Jahreszeit noch nicht mal Schafe. Die Deiche sind leergefressen und verlassen.
So fühle auch ich mich – leergefressen und verlassen. Alles was mein Leben die letzten Monate erfüllt hat, gibt es hier nicht. Die Extreme. Das Ursprüngliche. Die unbändige und vielerorts unberührte Natur des Nordlandes, mit dem was es ausmacht: seinen Extremen. Alles dort ist nicht nur ein Bisschen, es ist extrem. Extreme Berge, nicht nur viele, sondern auch schroffe, karge, weite und hohe. Die extreme Weite und Tiefe des Nordmeeres. Extreme Naturschauspiele: Midsommer, Sternschnuppen, Polarlichter. Wer einmal Polarlichter gesehen hat, wird süchtig nach diesem tanzenden Himmelsschauspiel. Und überhaupt das Licht, was zu jeder Tages- und Jahreszeit anders ist. Aber auch der Sternenhimmel leuchtet in einer Intensität, wie ich sie nur selten erlebt habe. Es ist das Land der extremen Tierbegegnungen: Rentiere, Elche, Seeadler und natürlich die gigantischen Wale. Es scheint dort kein „normal“ zu geben. Selbst die Möwen sind agiler und flinker, grösser, lauter und unterschiedlicher. Vielleicht ist dieser Blick ein wenig verklärt, aber ich halte es, wie bei „Schiffbruch mit Tiger“: wenn die Vorstellung schöner ist als die Realität und glücklich macht, warum auch nicht. Es ist wie bei allem: unsere Bewertung der Dinge, macht die Dinge erst zu etwas besonderem oder eben nicht.
Ja, ich habe mich verliebt. In ein Land, in eine Lebensweise, in den hohen Norden. Es lässt mich nicht mehr los. Je mehr ich Richtung Süden, Richtung urbaner Normalität komme, desto mehr spüre ich diese Tiefe Sehnsucht nach dem Nordnorwegischen Leben.
Gerne möchte ich hier einen Abschnitt aus „Gebrauchsanweisung für Norwegen“ zitieren, der es für mich auf den Punkt bringt. „Es ist das raue Leben der Vorfahren, ein bisschen wie bei den Wikingern, es ist die Wiederauferstehung des schlichten, harten bäuerlichen Lebens, eine ersehnte Pause vom dekadenten Luxus des Alltags, denn nur das Einfache ist wahr und gut. Die Norweger sehen sich immer noch gern als Asketen. Ferien dienen der körperlichen und moralischen Ertüchtigung, der Regenerierung von den Giften des urbanen Lebens.“ Die Autorin beschreibt darin, die Auszeiten der Norweger auf ihrer hytta in den Bergen – ohne fliessend Wasser und Strom.
Das „Heimkommen“ – wobei sich hier die Frage stellt, wo für mich überhaupt „Heimat“ ist – schwer sein würde, darauf hatten mich einige Weltenbummler vorbereitet. Dass es allerdings sooo schwer werden würde, hätte ich nie für möglich gehalten.