Pläne sind dazu da, geändert zu werden. Und so biege ich nicht, wie noch morgens geplant in Skaidi Richtung Westen sondern nach Osten gen Nordkap ab. Ich folge meiner inneren Stimme, die möchte, dass ich meine Reise komplettiere. Gedanken wie „Du kommst sicher wieder und das bei besserem Wetter“ schiebe ich beiseite. Ich lebe jetzt! So schlecht kann das Wetter gar nicht sein. Also auf geht’s ans Nordkap.
Schon die Anfahrt ist beeindruckend. Schmale Strassen schlängeln sich direkt am Ufer mit sagenumwogen erscheinenden Buchten, Fischerbooten und Holzhütten. Grüne Steppenebenen, die von kleineren Rentierherden bewohnt werden. Tunnel, durch Berge und unter dem Meer. Und immer wieder stehen Rentiere am Strassenrand oder laufen direkt auf der Strasse auf einen zu. Sie haben überhaupt gar keine Scheu, was manchmal auch wirklich gefährlich sein kann. Denn nicht immer sehe ich sie sofort, zu oft bin ich von der Schönheit dieser nordischen Landschaft in den Bann gezogen.
Noch 25km bis zum Nordkap. Nach und nach fahre ich in die dichte Wolkendecke rein. Das Nordkap liegt auf knapp über 300 Höhenmetern, direkt in den Wolken. Mit Sichtweiten unter 5m erreiche ich am Mittwoch, den 27.Juli kurz vor Mitternacht das Nordkap. Anfangs hat es den Anschein als ob sich das Kap gar nicht zeigen möchte. Daher entscheide ich meine Nacht unten im Tal, also unterhalb der Wolkendecke, zu verbringen. Meine Hoffnung auf ein Mitternachtssonnenspektakel im Tal wird belohnt. Die bergige Landschaft und das Nordmeer werden von einem sagenhaften Licht umspielt, wie ich es nur von hier oben zur Mitternachtssonne kenne. Wahnsinn. Auch die Wolkendecke scheint etwas aufzureissen. Also doch wieder hoch ans Kap. Nach 15min erreiche ich abermals das Touristencenter und diesmal kann ich den stählernen „Globus“ sogar ausmachen. Also raus in den eisigen Wind. Ein Wolkenloch lässt uns hartgesottenen gegen 1Uhr für mehrere Minuten einen wunderbaren Ausblick. Ich bin begeistert und froh mich trotz der schlechten Wettervorhersage doch fürs Nordkap entschieden zu haben.
Das Nordkap ist zwar nicht wirklich der nördlichste Punkt Europas, aber der bekannteste. Der wirklich nördlichst gelegene ist ein kleiner Felsen, etwas westlich vom Nordkap. Dorthin wäre ich total gerne gewandert, aber leider lässt dies die schlechte Sicht nicht zu. So oder so, es ist wunderbar hier zu sein. Gerade mal 21oo Kilometer trennen mich vom Nordpol. Ein Katzensprung, wie mir scheint. 😉
Nach einer stürmischen Nacht, die meinen Bus ganz schön hin und her schaukeln liess, gönne ich mir am (fast) nördlichsten Punkt Europas einen selbst gemachten Cappuccino und leckeres Müsli mit frischem Obst. Ich beobachte das Kommen und Gehen auf dem Schotterparkplatz, welches mit unzähligen Reisemobilen und PKWs gefüllt ist. Mit jährlich 200.000 Besuchern ist das Nordkap ein internationaler Treffpunkt. Ich hoffe auf Wetterbesserung und dank kostenfreiem Wifi kann ich die Zeit gut nutzen.
Vielen dank für eure Wünsche. Ich habe sie auf kleine Zettel geschrieben und zusammen mit der Asche des schamanischen Osterfeuers am Nordkap in alle Winde verstreut.